In den letzten Wochen gewährten viele Leute ganz persönliche Einblicke in ihr Zuhause – ob als Online-Live-Konzert, Mitarbeiter-Ansprachen oder sogar Politiker, die aus den eigenen vier Wänden an die Nation sprachen.
Deshalb möchte ich auch von meiner Corona-Zeit als Teilzeit-berufstätige Mutter, Gründerin und Chor-Vorstand berichten.
Seit dem 16. März 2020 war bei uns alles anders – die Kinder mussten zu Hause bleiben und sich im Selbststudium für ihre Hausaufgaben motivieren, während die Eltern im Homeoffice ihren Job erledigten. Drei Mahlzeiten mussten auf den Tisch gebracht werden. Lebensmittel einkaufen erfolgte bei uns immer alleine und nur mit Maske, es dauerte deutlich länger als normal und soziale Kontakte waren verboten. Obwohl wir als vier-köpfige Familie privat über drei Laptops bzw. PC `s verfügen, gab es häufig Ärger über deren Nutzung.
Nach dem ersten Schock über dieses für uns noch nie Dagewesene und den nicht mehr enden wollenden Corona-Sondersendungen, hatte ich mich dafür entschieden, sinnvoll mit dieser sonderbaren Zeit umzugehen.
Da wir viele Bekannte in der sogenannten Risikogruppe haben, hatte ich schnell begonnen, Mund-Nasen-Masken selbst zu nähen. Allerdings waren in den ersten Wochen Kurzwaren (Gummiband, Schrägband) ebenfalls Mangelware wie Toilettenpapier, Nudeln und Hefe. Von Nachbarn bekam ich Material und bislang habe ich schon über 30 Masken fertig gestellt. Mittlerweile habe ich Routine und es geht mir viel schneller von der Hand als anfangs.
An den Wochenende hatte ich einen Brötchen-Bringdienst für Freunde und Bekannte etabliert. Sonntagabends um 18.15 Uhr sang ich zusammen mit meiner Nachbarin, die in einem anderen Chor ist, aus den Fenstern „Freude schöner Götterfunken“, um uns bei all den Helfern zu bedanken, die das Leben draußen am Laufen hielten. Sogar meine kleine Tochter konnte ich zum Mitsingen motivieren. Sie singt in dem im letzten Sommer gegründeten Kinderchor und muss zur Zeit leider auch pausieren. An einem dieser Sonntag-Abende hörten wir in einer Nachbarstrasse sogar ein Trompetensolo, was ich als wunderschön und sehr berührend in Erinnerung behalte.
Und was habe ich für mich in dieser Zeit gemacht? Ich habe mir viele Webinare zur Existenzsicherung für Gründer angesehen – im Mai 2019 hatte ich mich als Freiberuflerin in Teilzeit selbständig gemacht und seit Corona, wie viele andere auch, keine Aufträge mehr erhalten. Besonders Trainings und Workshops waren aufgrund der räumlichen Situation in weite Ferne gerückt. Anfang 2020 hatte ich mein neues Projekt „Gruppen-Coaching mit der Lego®-Serious Play®-Methode“ erfolgreich getestet und war startklar, mit meinem Steine-Koffer und voller Enthusiasmus, Trainings anzubieten. Aber bislang steht der Koffer ungenutzt im Keller und wartet auf seinen Einsatz.
Aber nun freue ich mich umso mehr, dass es endlich einen Datenschutz-sicheren Online-Coaching-Raum, den Wunderroom, für unser spezielles Karrierecoaching gibt, damit wir Kompetenzenbilanz-Coaches auf online wechseln können. Diese schnelle Digitalisierung am eigenen Leib zu erfahren, ist schon Wahnsinn.
Und auch der vierstimmige Chor "Klangfarben-Kloppenheim", in dem ich mitsinge und als 2. Vorsitzende hinter den Kulissen arbeite, wurde schlagartig digitalisiert. Nachdem keine normalen Chorproben mehr stattfinden durften, bot unsere Chorleiterin und Dirigentin an, alle aktuellen Lieder für alle Stimmen als MP3- Dateien aufzunehmen und mit Klavierbegleitung zur Online -Chorprobe zur Verfügung zu stellen. So konnten wir sie weiter für ihre Arbeit bezahlen und wir Sänger konnten jederzeit zu Hause unsere Stücke üben. Und das klappte so gut, dass wir seit drei Wochen sogar online über eine Internet-Plattform zusammen singen. Unser Kinderchor hatte es vorgemacht und wir Großen machen es nach. Wir singen weiter – nur halt von zu Hause! Denn Singen tut der Seele gut – ganz besonders in solchen Zeiten wie diesen.
Für meine Seele tat ich mir auch noch etwas Gutes, in dem ich abends mit meiner Tochter viele Kinderfilm-Klassiker aus meiner Kindheit ansah. Solche Filme wie „Luzie, der Schrecken der Straße“, „Nesthäkchen“ und „Anna, die Ballett-Tänzerin“ begeistern heute noch so wie damals.
Eigentlich hatten wir uns gut arrangiert, aber es gibt etwas, das mich extrem ärgert.
Dass Eltern als Ersatz-Lehrer und -Betreuer als stille Reserve der Gesellschaft angesehen werden, wissen wir jetzt. Aber dass der alte Spruch „Frauen und Kinder zuerst“ bei der Rückführung in einen Nach-Corona-Lockdown-Alltag total vergessen wurde und Eltern von Schul- und Kita-Kindern ganz hinten in der Warteschlange ins normale Leben stehen, ist schon eine große Unverschämtheit.
Jetzt kommt auch noch heraus, dass all die mühsam errungenen Home-schulischen Leistungen noch nicht einmal anerkannt werden, weil nicht von gleichen Lernverhältnissen ausgegangen werden kann. Damit wird wohl das Schuljahr 2019/2020 ein weitgehend verlorenes Schuljahr werden. Welche Erkenntnisse ziehen wohl unsere Kinder aus dieser Zeit? Bestimmt nicht, dass sich Anstrengung lohnt. Ja, ja, nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir – das weiß ich auch.
Für mich als berufstätige Mutter war es doppelt anstrengend– meine Zeit ist fürs Homeschooling draufgegangen, aber die Früchte tragen Andere. Ich hätte mir viel mehr Online-Präsenz von Lehrern und Kita-Personal gewünscht, um Kinder und Eltern in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen. Aber bei uns war das leider Fehlanzeige. Nicht einmal das Gymnasium mit dem „guten Ruf“ hatte sich hier positiv dargestellt. Einzig der Musiklehrer der 10. Klasse unserer Tochter hatte nach der siebten Woche Schulschließung eine Videokonferenz durchgeführt. Seine Kollegen der anderen Fächer verschicken nach wie vor nur ihre Aufgaben und sind dann fertig!
Unsere Grundschullehrerin mit eigenem Kleinkind hatte sich allerdings mächtig ins Zeug gelegt. Neben einer eigenen Homepage, die sie für ihre zweite Klasse aufgebaut hat, macht sie seit Kurzem Online-Klassenkonferenzen, was bei den Kindern super ankommt. Man sieht, dass sie viel Liebe und Zeit in ihre Profession investiert.
Leider kommt das dicke Ende noch: Anlässlich des Muttertages Mitte Mai wurde in den TV-Spätnachrichten das ausgesprochen, was viele schon befürchtet hatten: Die Corona-Krise wird vor allem für Mütter als sogenannte „Re-Traditionalisierung“ enden. Das bedeutet, dass Frauen um bis zu 3 Jahrzehnte nach hinten katapultiert werden. Sogar unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel verwendete diesen Begriff kürzlich im Bundestag.
WARUM ist das so? Weil nahezu alle Männer in Deutschland in Vollzeit arbeiten und Frauen, die mehrheitlich in Teilzeit arbeiten, den Großteil der Familien-, Betreuungs- und Schularbeit der Kinder während der Corona-Zeit übernommen haben.
Diesen Müttern sollte der Dank unserer Gesellschaft gelten!
Und umso wichtiger ist es nun, einen gut durchdachten und geregelten Weg ins Normale zu gehen und an alle zu appellieren, die wichtigen Abstands- und Hygiene-Regeln konsequent einzuhalten, damit es nicht zu einer zweiten Welle in Deutschland kommt!